Dienstag
Schlaflose Nacht, wie immer, wenn man den Schlaf dringend bräuchte.
Der Morgen ist stressig, chaotisch, inklusive meltdown.
Wir kommen relativ pünktlich los, und die Fahrt verläuft soweit gut. Ich hänge hinten zwischen den kids wie ein Schluck Wasser in der Kurve und versuche beide mit Hörspiel- oder Musikoptionen zu versorgen, obwohl mein youtube Premium Account nicht die Wiedergabe auf 2 Geräten hergibt… ist dann eigentlich nicht-premium nicht besser ?!?… Nungut.
Wir kommen beim Zwischenstop für die Nacht an, und die schlimme Vorahnung wird Wirklichkeit (ich hatte das Dorf vorher mal gegoogelt…) – hier ist nichts. Wirklich NICHTS. Wart ihr schonmal in Wiedemar? Nein? Tja – wir schon.
Ein trostloser Ort, so auch die Pension. Die nackte Panik ergreift mich – was sollen wir hier jetzt tun ?
Wieder mal rettet der Fernseher.
Ich trinke einen Gin Tonic aus einem der Plastikzahnputzbecher, die im Schrank standen, um mir die Pension und überhaupt alles schön zu trinken, aber es funktioniert nicht. Ein anderer Plastikbecher muss dran glauben, weil mein Sohnemann zu fest zudrückt, was zu viel für das dünne Material ist. Wohlbemerkt war dieser noch nicht leer. Na dann, Prost !
Um 5 machen wir uns dann auf zur Dorfkneipe – eine kleine Blockhütte mit 4 Tischen, einer Bar und einer Dartmaschine, welche sich als Rettung für die nächsten 3 Stunden erweist.
Die Dame der Hütte ist toll, das Essen gut und günstig, es ist warm und wirklich nett. Sogar Tauchsieder für Bier gibt es hier noch. Außerdem Longdrinks für 4,50, und ich wähle einen „Beton“… das ist Becherovka mit Tonic, und nach der Hälfte verstehe ich die Namensgebung.
Zurück in der Pension kommt der Teil den ich hasse : zwei überdrehte Kinder in einer fremden Umgebung allein ins Bett bringen. Etwas, das einfach zu unmöglich und langwierig ist, um die hart erarbeitete gute Stimmung aufrecht erhalten zu können.
Irgendwann schleife ich meine Tochter aufs Sofa, schmeiße ihr das Bettzeug hinterher und warte, bis sie aufhört zu heulen. Eigentlich wäre mir auch nach heulen.
Ich nehme meinen Laptop, will etwas produktives machen, bemerke dann aber das Fehlen des WLANs, und schalte ihn wieder aus.
Ein paar Zeilen noch im Buch, und dann das Licht aus.
Wider erwarten schlafe ich ein. Und dann kommen die Träume. Ein Wirrwarr aus Vielem, die riesige Halle, in der wir leben brennt, wir können aber löschen, mein Sohn fällt von der obersten Mansarde in die Tiefe, von meinem Markdurchdringenden Schrei wache ich auf.
Ich schlafe wieder ein, und es geht weiter, da ist er wieder, mein Exmann, meine große Liebe, und verfolgt mich im Traum; die riesige Halle ist nun eine Lager- und Verkaufshalle für sein neues Business, und überall sind wunderschöne Gebilde, riesige gebaute Kreationen hängen herum, und ich laufe herum und staune, und liebe ihn so sehr.
Und dann weckt mich Bruno, schnupft und niest neben mir, und der Traum und sein Gefühl begleitet mich ins Erwachen, und als ich etwas später vor dem Spiegel stehe und mir Wasser ins Gesicht schmeiße, überkommt mich die Trauer wie eine Welle, und ich kann es nicht mehr zurückhalten.
Ich versuche, die Illusion des Traumes gegen die Realität einzutauschen. Nein, so ist es nicht. Ja, er ist so toll und kreativ, ich erinnere mich an die vielen tollen kreativen selbstgemachten Geschenke, und mein Herz sinkt in sich zusammen.
Aber das war nicht alles, nein, das war nicht alles. Und nein, du schreibst ihm jetzt nicht, ob du irgendwann mal den versprochenen Brief erhalten wirst, den, von dem du weißt, er wird niemals kommen.
Was soll das… warum verfolgst du mich, bitte, nicht noch nachts, lass los, du klebrige Liebe, lass mich los, lass mich frei.
Jetzt sitzen wir wieder im Auto. Eine Stunde fünfzehn geschafft, dreieinviertel to go.
Es regnet, und es ist Stau. Mein Schädel ist Beton, mein Kreuz tut weh.
Das ist Urlaub.
Ostsee, wir kommen.