Acht Uhr, mein Platz hinten in der Klasse, in meiner Ecke auf dem kleinen orangenen Stuhl.
Es ist wie es die unzähligen Mama-Insta-Beiträge schildern – eigentlich wäre ich jetzt schon bereit, den Tag zu beenden.
Dieses plötzliche wieder-im-Alltag-stehen strengt mich an. Es ist wie das, was vor fünf Monaten geschah, nur rückwärts: ein Knopfdruck, und ich war aus meinem Leben herauskatapultiert, einfach so.
Nichts mehr wie es war.
Dann kamen diese Monate. Ein endloses durchhalten, stark sein, funktionieren.
Und jetzt, wieder ein Knopfdruck, und schwupps finde ich mich in einer Klasse voller Zappelbeine mit Hustenbazillen, schwer atmend, in´s Leere starrend, weil ich merke, es ist viel, es ist wirklich viel, und es ist anstrengend.
Diese Krebs-Begegnung, eigentlich wollte ich achtsam bleiben, wollte das auf-mich-achten, das positiv-denken, das ruhiger-bleiben beibehalten, wollte unbedingt diese Schock-Wirkung nutzen. Wollte die wichtigen Dinge pflegen und kultivieren, die unwichtigen sein lassen…
Es ist gerade mal die zweite Arbeitswoche, und ich schaffe es nicht. Ich finde mich müde, gestresst, genervt, und missmutig hier auf diesem Stuhl, acht Uhr morgens.
Nach dem Aufstehen geht es noch… – in der Stille vor dem Sturm fühle ich mich einigermaßen gefasst.
Kurkuma-Pfeffer-Ingwer-Kaffee weckt die Sinne, die Brotzeit wird gemacht, Yoga weckt den Rest.
Doch dann fängt es schon an:
Mein liebevoller Gedanke, den beiden gegen all die Kränkeleien auch etwas Kurkuma in den Kakao zu tun, weckt das erste Gemoser. Der „komische Kakao“ …
Eine Beschwerde jagt die andere. Meine betrifft seine immer wieder gleiche Klamotten-Wahl, während die extra gekauften Teile im Schrank vor sich hin schrumpfen.
Wanda bekommt auf meine Bitte, mich und Bruno kurz allein am Waschbecken zu lassen, da sie ja viel mehr Zeit hat als wir, ihren typischen Wutanfall, pfeffert die Haarbürste auf den Steinboden, stampft aus dem Bad und knallt die Glastür mit Schmackes – guten Morgen, liebe Mama, die du unter uns noch im Bett liegst, jetzt bist du sicher auch wach.
Gern geschehen.
Meine Laune ist im Keller, und das vor halb acht. Ich bekomme eine riesen Wut, weil ich meine Kinder liebevoll mit Kakao und Kuss wecke, und sie mich dann gefühlt mit Ohrfeigen in den Tag schicken.
Eins folgt aufs andere, Bruno´s Schal und Mütze sind wieder nicht da, seine ewige Zerstreutheit und Chaos-Persönlichkeit nagen an meinen zerfetzten Nervensträngen. Es frustriert mich so. So so so sehr.
Ich schaffe es nicht.
Das OHM zu verinnerlichen, und den Morgen nicht durch solch eigentlich unwichtige Dinge abrutschen zu lassen. Mich nicht zu ärgern, über diese blöde Kacke. Mich zu freuen, über meine tollen Kinder, über die Tatsache, dass ich am Leben bin, dass die Tortur der letzten Monate jetzt vorbei ist.
Eineinhalb Wochen zurück im Alltag, und es ist als wäre nie etwas gewesen.
Der gleiche Stress.
Das gleiche Generve.
Dir gleichen Fallen, und ich tappe genauso hinein wie vorher.
Nix OHM, nix gechilltes Drüberstehen, weil ich ja jetzt gelernt habe, dass es nur noch um die wichtigen Dinge geht, und so vieles einfach nicht wichtig ist….
Nix.
Es ist wie vorher. Ich ärgere mich, der Ärger, mein Gift.
Ich schaffe keine kleinen Inseln. Pauseninseln, Ruheinseln. Kurze Auszeiten.
Damit ich besser um die Fallen herumkomme.
ICH SCHAFFE ES NICHT.
Und das macht mir Angst.
Was, wenn ich das schaffen MUSS, um gesund zu werden und zu bleiben?
Was, wenn ich meine Lektion nicht genug gelernt habe ?
Was, wenn all meine Anstrengungen nicht ausreichen?
Es ist hart.
Dieses BAM, zurück auf Knopfdruck, zurück ins Leben, als wäre nichts gewesen.
Es ist verdammt hart.
Denn es IST was gewesen.