Papa

Sag ich Papa? Vater?

Acht, mehr als acht Jahre ist es jetzt her, dass wir uns gesehen haben. dass wir zuletzt Kontakt hatten, dass diese Briefe hin und her gingen.

So viele Jahre.

Bruno hast du nie kennengelernt. Hast echt was verpasst.

Als ich heute hier in diesem altmodischen Raum in der Badewanne lag, hier auf meiner privaten kleinen Kur nach der Bestrahlung, hatte ich plötzlich das Bild im Kopf – du in der Wanne, ich, in deiner Badewanne, Wanda in deiner Wanne. Einfach deine Badewanne, dein Bad. Du.

Manchmal reichen so seltsam kleine Dinge, um großes zu bewirken.

Es tut weh. Deine Härte, die mir damals entgegenprallte, es tut immer noch weh. Das wusste ich bis eben nicht.

Man schiebt es weg, packt es irgendwo hin, weil es keinen Raum hat, keinen Platz, da ist kein Platz für so viel Schmerz, man ist Mama, ein Kind mit in dieser Welt, eins im Bauch, wie und wo soll das raus, wann heilen, man macht weiter was soll man auch sonst tun.

Man sagt sich „es passt schon, es ist ok, tut gar nicht mehr weh.

Bis dann etwas passiert, was einem seine Endlichkeit vor Augen führt, was einen so verletzlich macht, so aufgeschürft und zerschlagen in schiefe Puzzleteile – und man merkt, was alles weh tut.

Und oh ja, es tut weh. Nicht mehr so wie damals, aber es tut weh.

Ich hab so viel von dir. So sehr viel.

Nicht nur dein Kinn, das „Arschkinn“, deine Haare, deine Nase – auch deine Abenteuerlust, deine immer-suchende Seele, deinen Zynismus, und ja, auch deine Härte.

Ich merke oft, wie ich genauso hart zu meinen Kindern bin, und zu mir, ja, zu mir… ich will das nicht. Ich bin das eigentlich nicht. Ich bin emotional, etwas, was du nie warst, sentimental, romantisch, weich…

und trotzdem kommt manchmal diese fürchterliche Härte und Kälte aus mir heraus.

Ich möchte die nicht. Ich nehme gern so einiges von dir, deinen Genusssinn, die Reisefreude, das Fernweh, meinetwegen auch deinen Zynismus – aber diese Härte, die möchte ich dir gern zurückgeben, die darfst du behalten, ich will sie nicht.

Ich tue ihnen damit weh, und das möchte ich nicht.

Also hier, nimm sie zurück, das ist deins, deine Härte, nicht meine.

Ich weiß nicht, was dich so hart gemacht hat, du hast es nie erzählt. War nicht dein Ding, Gefühle zeigen oder über sie reden… zumindest nicht SOLCHE Gefühle.

Meine mangelnde Sozialkompetenz, wie du es mir nachsagtest, die hab ich wohl von dir. Denn ich kenne niemanden, der sich so eiskalt seiner kompletten (Erst-)Familie entledigt hat hat, wie du es getan hast.

Papa, Vater, Rudi, wie auch immer, es hat unfassbar weh getan. Du warst so groß für mich.

Ich muss die Härte zurückgeben, um weich bleiben zu können. Die Wut, den Hass abgeben, damit sich keine harten Knoten mehr bilden. Weder in der Seele, noch sonst wo.

Also, hier ist all das zurück, was nicht meins ist, aber irgendwie meins geworden ist.

Es tut mir leid, wie das alles gelaufen ist.

Es tut mir leid, dass wir keinen Kontakt mehr haben.

Nur mich verändern, um deiner Liebe würdig zu sein, das will ich bis heute nicht.

In Liebe,

Laura (aka `daughter of darkness´)

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