Husten. Seit zwei Wochen. Nicht so ein kleiner, normaler, nein, ein schleimiges, brutales Monster.
Ich bin richtig zerschlagen.
So viel zu meiner Theorie, dass mich die Bazillen der Erstklässler nicht kleinkriegen werden.
Völlig unterschätzt. Mich kriegt ALLES klein. Sehr klein sogar.
Aufgrund meiner bevorstehenden Augen OP und der damit verbundenen früheren Beurlaubung schleppe ich mich die letzten Tage in die Schule.
Am Abend vor der OP steht noch Wandas Weihnachtskonzert in ihrer Schule an. Wanda ist im Chor.
Wunderbar. Das ist genau das was ich jetzt noch brauch.
Den Nachmittag verbringen wir erst noch mit großer Einkaufsrunde, die sich, mit beiden Kids im Tau, als sehr anspruchsvolle Zerreißprobe für meine äußerst instabilen Nerven entpuppt.
Zurück daheim, viele Tüten, hochgeschleppt, alles rein, die Tür offen, der Schlüssel steckt – und auf einmal steckt nur noch die Spitze drin, „der Schlüssel liegt am Boden, Mama, der ist abgebrochen“, sagt Bruno entsetzt, und bei mir setzt etwas aus. Das bedeutet nichts gutes, das bedeutet entweder Tür offenlassen, im Winter, oder nicht mehr reinkommen, mein Kopf dreht sich, und natürlich flipp ich aus.
Keine Kapazitäten mehr, für innehalten, überlegen, für rein GAR NICHTS mehr.
Armer Bruno. Blöde Mama.
Und diesmal ist es dann MEINE Mama, die mich runterholt.
Zeitgleich kommt auch unsere Nachbarin plötzlich angelaufen, und bittet etwas verzweifelt um Rettung, sie müsse ihr Auto aus der Werkstatt holen, eine halbe Stunde von hier, und sie wolle auf keinen Fall ihren bald- Exmann bitten, das wäre ganz furchtbar, und ob ich das irgendwie bis morgen Abend einrichten könnte…
Mein Kopf wittert den Ausweg. Morgen früh bin ich weg zur OP, später ist das Konzert…da bleibt nur noch JETZT.
Ich sage zu. Sie geht Geld holen, ich verstaue die hundertsiebenundneunzig Dinge, denn wir haben nun ja auch schon für Weihnachten vorgesorgt.
Dann verlasse ich die Szene.
Manchmal hilft nur die Flucht.
Diese Stunde im Auto, allein mit einer supernetten erwachsenen Frau, ist eine absolute Wohltat. Am liebsten würde ich einfach weiterfahren. „Halt, hier musst du lang zur Werkstatt…“ – „Nein, wir hauen jetzt ab“.
Super ist auch, dass meine Mam und Thomas in dieser Stunde mithilfe eines sehr schnellen Schlüsseldienstes das Türproblem gelöst haben.
DANKE.
Zurück daheim reicht die Zeit gerade noch um die versprochenen Burger zu machen, aber plötzlich nur zwei, Bruno will two-minute-noodles … etwas seltsam, aber nun gut.
Die Nudeln sind fertig, und er meint er will nix, ihm is übel.
Ich stelle ihm im einzig klaren Moment in meinem Hirn einen Eimer hin, was man hat das braucht man nicht, aber manchmal eben doch: eine halbe Stunde bevor wir los müssen kotzt er diesen nämlich ziemlich voll.
Was darauf folgt ist nur noch Chaos. Ich will ihn nicht mit Thomas zuhause lassen müssen, aber ich kann auch nicht zum zweiten Mal Wandas Konzert verpassen.. zerreißen geht nicht, wäre aber mal wieder echt gut.
Also gehen wir. Mir ist nur noch nach heulen, und auch nach kotzen, nach ganz viel kotzen und schreien und heulen.
Das Konzert ist grausam, wirklich eine Qual, schief und schräg und peinlich und nervig, zu lang, der Höhepunkt die schiefste Bläsergruppe, die es jemals gegeben hat, wir sitzen die Zeit ab, schämen uns fremd, sind froh als wir gehen können… ich allerdings nur solange, bis ich zuhause die Tür öffne, und die Würgegeräusche aus Brunos Zimmer höre.
Die Nacht wird zur Verlängerung des Alptraumtages.
Ich ziehe aufs Sofa, um bei jedem neuen Würgegeräusch schnell bei ihm zu sein, ohne mir dabei auf dem Weg von oben das Genick zu brechen.
Es hört nicht auf. Nach vielen Stunden, abgezogene, Bettzeug und viel zu viel Kotze beende ich den Horror mit Vomex für Erwachsene, irgendwann siegt die Verzweiflung, und endlich, nach der zweiten Gabe des zerteilten Zäpfchens und einer weiteren Stunde wirkts.
Endlich ist der Morgen da, endlich, und Thomas fährt mich nach Landshut zur OP, völlig übernächtigt und mit Husten, fix und fertig.
Die OP verläuft gut, alles nach Plan, und ich bin endlich irgendwann wieder auf meinem Sofa, die Kinder unten, es ist Ruhe, ich kann aufatmen.
Auch bei der Kontrolle am nächsten Morgen ist alles ok, weiter aufatmen, auch wenn ich mich heute sehr seltsam kaputt fühle…
Am Abend kommt dass die Übelkeit. Ich nehme eine Schüssel mit ans Bett, und ich brauche sie irgendwann später in der Nacht auch.
Immer wieder.
Jedes Mal denke ich an nichts anderes, als so zu Kotzen, dass kein Druck auf den Augen entsteht.
Müsst ihr mal versuchen, Kopf über der Schüssel, würgend, und dann ohne Druck auf die Augen.
Immerhin ist es aber nicht so schlimm wie bei meiner Mama unten, da kommts überall raus.
Das kinderfreie Wochenende hänge ich nur rum, und huste mich tot. Natürlich auch immer ohne Druck auf den Augen, klar, ganz klar, ist ja auch kein Problem bei einem Husten, der JEDES MAL auch nur den GERINGSTEN vorhandenen Blaseninhalt in die Unterhose befördert. Wenn mir nur Brunos Windeln passen würden.
Selten hab ich mich so Scheiße gefühlt.
Mittlerweile hats auch den Papa erwischt, und Thomas auch, die Kids sind wieder hier, genau wie ein Haufen Rotze, der es sich in meinen Nebenhöhlen bequem gemacht hat, und sich nirgendwohin bewegt.
Bruno ist hundemüde und klagt über Halsweh, und Wanda hat beim ins Bett gehen nun auch endlich ne Rotznase und einen plötzlichen Reizhusten.
Herzlichen Glückwunsch. Wirklich.
Und frohe Weihnachten.
NACHTRAG
Brunos Halsweh wurde Fieber und eine ordentliche Grippe, die sich über zwei Wochen zog.
Als es ihm endlich besser geht, bin ich schon kurz vor dem Lagerkoller.
Ich gehe einen Tag wieder in die Arbeit, und an dem Abend klagt Wanda über Übelkeit.
Sie schläft ein, und kotzt kurze Zeit später leider nicht in den Eimer, sondern im Schlaf, das komplette Bett voll, und zwar sowas von, dass ich eine Weile nur dastehe, eingefroren, unfähig irgendeinen klaren Gedanken zu fassen, wie ich damit jetzt klarkommen soll.
Es dauert lange. Es ist so viel, und es ist überall, und mir ist so so schlecht.
Doch irgendwann muss es ja mal aufhören.
Wanda erholt sich zum Glück schnell, und bei mir bleibt es diesmal bei ein paar Tagen Übelkeit.
Und wir verbringen tatsächlich alle einigermaßen fit Weihnachten. Und können sogar alle was Essen.